September 10, 2015

Datenschutzverstöße werden abmahnfähig

Der deutsche Bundestag diskutiert im Augenblick über eine Änderung des Unterlassungsklagegesetzes. Was auf den ersten Blick nicht sehr spannend scheint hat, es in sich. Auf Initiative des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz soll die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche im Datenschutzrecht verbessert werden. Mit anderen Worten: Datenschutzverstöße können zukünftig von Verbraucherzentralen abgemahnt und gerichtlich verfolgt werden.

  1. Derzeitige Lage

Ob und inwiefern datenschutzrechtliche Verstöße derzeit abgemahnt oder von Mitbewerbern verfolgt werden können, ist hoch umstritten. Für Unternehmen ist es am wahrscheinlichsten, dass Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach dem UWG geltend machen, weil Datenschutzerklärungen (z. B. auf der Website gem. § 13 TMG) unvollständig oder falsch sind. Die Reichweite solcher Ansprüche ist in der Rechtsprechung jedoch stark umstritten. Es verwundert im Ergebnis daher nicht, dass im Datenschutzrecht nur wenig Rechtsprechung besteht. Dies wird sich nun ändern.

  1. Inhalt des neuen Gesetzes

Damit datenschutzrechtliche Verstöße von Verbraucherzentralen verfolgt werden können, müssen im Wesentlichen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss ein Unternehmen Daten eines Verbrauchers verarbeiten. Zum anderen müssen die Daten zu kommerziellen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt worden sein. Es ist zu erwarten, dass das letzte Tatbestandsmerkmal (kommerzielle Zwecke) den größten Auslegungsspielraum bieten wird. Kommerzielle Zwecke liegen nach dem Gesetz jedenfalls dann vor, wenn die Datenverarbeitung zu folgenden Zwecken erfolgt:

  • Werbung,
  • Markt und Meinungsforschung,
  • Betreibens einer Auskunftei,
  • Erstellen von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen,
  • Adresshandels oder des sonstigen Datenhandels oder
  • zu vergleichbaren Zwecken.

Vergleichbare Zwecke sollen nur dann nicht vorliegen, wenn die Datenverarbeitung von einem Unternehmen ausschließlich für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Verbraucher dient. Bei dieser weiten Formulierung besteht derzeit die Gefahr, dass praktisch jede Datenverarbeitung, welche für die Vertragsdurchführung nicht erforderlich ist, automatisch kommerziellen Zwecken dient.

Eine weitere Besonderheit des Gesetzes stellt der § 12a Unterlassungsklagegesetz dar. Dieser bestimmt, dass zukünftig die Datenschutzbehörden in einem gerichtlichen Verfahren zwischen den Verbraucherzentralen und den Unternehmen angehört werden müssen. Es ist damit zu befürchten, dass die strenge Auffassung der Landesdatenschutzbehörden auf die Rechtsprechung abfärbt und Aufsichtsbehörden im Anhörungsverfahren erlangten Erkenntnisse für eigene Ermittlungsmaßnahmen und Sanktionen nutzen.

  1. Ausblick

Die Gesetzesänderungen werden eine stärkere Dynamik ins Datenschutzrecht bringen. Unternehmen werden sich, ähnlich der Lage im E-Commerce-Recht, stärker mit der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften auseinandersetzen müssen.

Gleichzeitig kann die Änderung auch positive Nebeneffekte mit sich bringen. Das Datenschutzrecht wird derzeit durch Stellungnahmen der Landesdatenschutzbeauftragten stark dominiert. Dabei haben aber die wenigen vorhandenen Urteile, wie z.B. das Spickmich-Urteil des BGH (v .23.06.2009 – VI ZR 196/08), gezeigt, dass die Rechtsprechung in der Auslegung datenschutzrechtlicher Vorschriften oftmals zu einem ausgewogeneren Ergebnis kommt, als die Landesdatenschutzbeauftragten. Es besteht zudem die Chance, dass für Unternehmen in vielen Bereichen nunmehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erreicht wird und Investitionen nicht mehr unter dem Damoklesschwert des Datenschutzrechts stehen.