Digitales Wohnungsaufmaß

Ausgangssituation

Im Zuge der Digitalisierung des Wohnungsbestands kann es erforderlich oder wünschenswert sein, Bestandswohnungen digital zu erfassen und zu vermessen. Dies erleichtert die digitale Erstellung von Grundrissen und 3D-Modellen. Da einem derartigen digitalen Wohnungsaufmaß jedoch oft auch bildgebende Technologien im Einsatz sind, kann gerade bei vermieteten Bestandswohnungen ein Spannungsfeld zwischen dem Vorhaben und der Privatsphäre der Mieter bestehen, das aus datenschutzrechtlicher Sicht betrachtet werden sollte.

Zweck und Rechtsgrundlage

Das digitale Wohnungsaufmaß inkl. der Anfertigungen von Fotoaufnahmen vermieteter Wohnungen kann eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen, da der Vermieter die erhobenen Daten inkl. der Aufnahmen mit dem jeweiligen Mieter in Verbindungen bringen kann. Jedoch wird diese Datenverarbeitung i. d. R. nicht für die Durchführung des bestehenden Mietverhältnisses erforderlich sein. Der Vermieter dürfte die Daten stattdessen für davon unabhängige Planungs- und Verwaltungszwecke verwenden. Die Erfüllung des Mietvertrags i. S. v. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO dürfte daher nicht als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung in Frage kommen.

 

Denkbar wären als Rechtsgrundlagen daher die Einwilligung des Mieters gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO und ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Vermieters gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.

Einwilligung

Sofern auf eine Einwilligung abgestellt werden soll, muss diese den Anforderungen aus der DSGVO genügen, d. h. sie muss freiwillig, informiert aktiv und nachweisbar sein (Art. 4 Nr. 11 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 DGSVO). Zudem ist zu berücksichtigten, dass sie jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufbar ist (Art. 7 Abs. 3 DSGVO). Im Fall eines Widerrufs dürfen die betroffenen personenbezogenen Daten nicht weiterverarbeitet und müssen i. d. R. gelöscht werden. Die möglichen praktischen Implikationen eines Widerrufs sollten bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage daher ebenfalls erwogen werden.

Berechtigtes Interesse

Der Vermieter dürfte ein berechtigtes Interesse an einer effizienten Durchführung des Aufmaßes bewohnter Bestandswohnungen argumentieren können. Dieses Interesse muss in diesem Fall aber stets mit der grundrechtlich geschützten und damit schwerwiegenden Unverletzbarkeit der Wohnung des Mieters (Art. 13 Abs. 1 GG) abgewogen werden. In einem anders gelagerten Fall argumentiert die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein (Ziffer 5.11), dass der Vermieter ohne vorherige Einwilligung des Mieters keine Wohnungsfotos zum Zweck der Vermarktung erstellen darf, da das Persönlichkeitsrecht gegenüber dem Interesse des Vermieters, die Wohnung möglichst schnell und attraktiv im Internet zu präsentieren, überwiegt.

Im vorliegenden Fall sollen jedoch keine Bildaufnahmen der Wohnung zum Zwecke der Veröffentlichung und Vermarktung gemacht werden, sondern für das digitale Wohnungsaufmaß. Für diesen Zweck dürfte es i. d. R. nicht erforderlich sein, die Bildaufnahmen über den Abschluss der Vermessung hin aufzubewahren. Somit dürfte die Zulässigkeit des digitalen Aufmaßes von der Ausgestaltung des Vorgehens und der technischen und organisatorischen Maßnahmen auf Grundlage eines berechtigten Interesses gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO abhängen, die für das Vorhaben sowie die technischen Hilfsmittel gelten. Diese Ausgestaltung sollte dann in die Interessenabwägung mit einbezogen werden.

Ausgestaltung

Wie bereits angedeutet, sollten die Bildaufnahmen der Wohnungen nur so lange vorgehalten werden, wie es für die Erstellung des Aufmaßes erforderlich ist. Sobald also die technischen Messdaten für die Berechnung der Flächen vorliegen, sind die Bildaufnahmen zu verwerfen und nicht weiter aufzubewahren. Alternativ wäre auch eine Anonymisierung der Aufnahmen denkbar, in denen Ausschnitte, die Aussagekraft über den persönlichen Lebensbereich des Mieters besitzen, unkenntlich gemacht werden.

Darüber hinaus wären die technischen Hilfsmittel, die ggf. über einen Dienstleister bezogen werden, mit weiteren adäquaten technischen und organisatorischen Maßnahmen hinsichtlich der Datensicherheit gem. Art. 32 DSGVO abzusichern. Mit dem Dienstleister wäre außerdem eine AV-Vereinbarung gem. Art. 28 Abs. 3 DSGVO abzuschließen, in der sich der Dienstleister verpflichtet, für ein angemessenes Datensicherheitsniveau zu sorgen. Hier könnte z. B. auch vereinbart werden, dass der Auftragsverarbeiter den Zugriff des Verantwortlichen auf die Bildaufnahmen unterbindet.

Interessenabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen

Die Verarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO rechtmäßig, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Ob die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erfüllt sind, ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu ermitteln:

  1. Stufe: Vorliegen eines berechtigten Interesses des Verantwortlichen oder eines Dritten
  2. Stufe: Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung dieses Interesses
  3. Stufe: Abwägung mit den Interessen, Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person im konkreten Einzelfall

Vorliegen eines berechtigten Interesses des Verantwortlichen oder eines Dritten

Das berechtigte Interesse liegt in einer effizienten und zeitsparenden Durchführung des Aufmaßes bewohnter Bestandswohnungen.

Erforderlichkeit und Geeignetheit der Datenverarbeitung zur Wahrung dieses Interesses

Lösungen zum digitalen Wohnungsaufmaß dürften in der Regel geeignet sein, den Prozess des Aufmaßes zu beschleunigen und damit die Effizienz zu steigern. Die Alternative wäre ein manuelles Aufmaß, das mit einem deutlich höherem Zeitaufwand sowohl für den Vermieter und den Mieter verbunden wäre. Der Mieter müsste das Personal des Vermieters, das das Aufmaß durchführt, deutlich länger in seiner Wohnung dulden. Darüber erfordert ein manuelles Aufmaß u. U. das Verrücken von Mobiliar und weiterem Eigentum des Mieters.

Abwägung mit den Interessen, Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person im konkreten Einzelfall

Damit die Anfertigung von Bildaufnahmen bewohnter Wohnungen zum Zwecke des digitalen Wohnungsaufmaßes mit der grundrechtlich geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung des Mieters vereinbar ist, müssen – wie bereits angedeutet – einige technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden. Diese dienen dazu, die Eingriffsintensität in die Privatsphäre und den höchstpersönlichen Lebensbereich des Mieters möglichst gering und die Datenverarbeitung somit vertretbar auszugestalten. Zu diesen technischen und organisatorischen Maßnahmen zählen mindestens:

  • Verschlüsselte Übertragung und Speicherung des Bildmaterials
  • Restriktives Berechtigungsmanagement auf strenger need-to-know-Basis
  • Unverzügliche Löschung des Bildmaterials, sobald diese nicht mehr für die Bestimmung der Maße nicht mehr erforderlich sind

Darüber hinaus sollten die weiteren technischen und organisatorischen Maßnahmen des Anbieters und ggf. seiner Unterauftragsverarbeiter, die z. B. das Cloud-Hosting der Anwendung übernehmen könnten sorgfältig geprüft und berücksichtigt werden.

Sofern diese Maßnahmen nicht hinreichend umgesetzt sind, steht die Rechtmäßigkeit des Vorhabens des digitalen Wohnungsaufmaßes auf Grundlage eines berechtigten Interesses gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO in Zweifel. In diesem Fall bietet die Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO die höhere Rechtsicherheit.

Dokumentations- und Hinweispflichten

Das digitale Wohnungsaufmaß muss als Verarbeitungstätigkeit in das Verarbeitungsverzeichnis gem. Art. 30 Abs. 1 DSGVO aufgenommen werden. Zudem müssen Mieter über die Datenverarbeitung gem. Art. 13 DSGVO informiert werden. Dies sollte idealerweise im Zuge der Ankündigung der Maßnahme erfolgen. Aufgrund der potentiell hohen Eingriffsintensität in die Privatsphäre der Mieter empfiehlt es sich zudem, vor Beginn des Vorhabens eine Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 DSGVO durchzuführen.